




Fünf Kurorte und Staatsbäder im UNESCO Biosphärenreservat Rhön zeigen Wege zur Entschleunigung auf / Auf natürliche Weise wieder zu sich selbst finden / Tipps von Experten vom Kurztrip bis zur Auszeit
Warum werden wir Menschen psychisch immer labiler? Sind wir einfach nur „Weicheier“ geworden oder steckt mehr hinter dem neuen viel diskutierten ABC aus Achtsamkeit, Burnout und Chronischer Erschöpfung? Von Modeerscheinung kann beileibe nicht die Rede sein, versichern Mediziner, Therapeuten und Touristiker im Bäderland Bayerische Rhön mit Nachdruck. In den fünf Kurorten und Staatsbädern, dort, wo seit Jahrhunderten die Gesundheit im Mittelpunkt steht, wirkt man intensiver denn je mit den Kräften der Natur kombiniert mit medizinischer Kompetenz den Auswirkungen unserer hektischen, digitalisierten und von Einsamkeit bedrohten Gesellschaft entgegen.
Doch wie merke ich, wann aus Stress Burnout wird? Wie kann ich vorbeugen?
Immer mehr Menschen suchen in den Kurorten Rat und Hilfe, um (wieder) ins Gleichgewicht zu kommen und die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Ob Fasten, Familienkur, indische Heilverfahren oder einfach nur in die Fluten der Therme stürzen – die Auswahl an Kur- und Erholungsangeboten im UNESCO Biosphärenreservat Rhön ist riesig. Doch was macht für wen nachhaltig Sinn? Für die Antwort braucht es Zeit – der erste Schritt zur Entschleunigung.
Steigende Nachfrage
„Die Nachfrage nach innerer Ruhe steigt, gerade im immer hektischeren Alltag und der immer größer werdenden Informationsflut“, konstatiert Thomas Beck, Kurdirektor im Staatsbad Bad Bocklet. Als Mitglied im Vorstand des Bayerischen Heilbäderverbandes sieht er diese Entwicklung nicht nur in seinem Ort, sondern im ganzen Freistaat und wohl auch deutschlandweit.
Vorsorge gewinnt an Bedeutung
„Viele Menschen nehmen ihre Gesundheit heute aktiver in die Hand, um langfristige Nachsorge zu vermeiden“, beobachtet auch Sylvie Thormann, Kurdirektorin des benachbarten Staatsbades Bad Kissingen. Es zeige sich ein steigendes Interesse, in Präventionsangebote, gezielte Auszeiten oder ganzheitliche Gesundheitsprogramme zu investieren.
Weg mit dem Handy, rein in die Natur
Warum sinkt unsere Widerstandskraft, die vielbeschworene Resilienz? Dr. Rita Löw, Psychiaterin und Chefärztin der Limesklinik im Staatsbad Bad Brückenau, kennt die Gründe: „Uns fehlt der Halt und die Bindung in der Großfamilie, wo die Oma auch mal gekocht und die Tante sich die Sorgen angehört hat. Uns fehlt die Gemeinschaft in Vereinen, in der Schule, bei Aktivitäten, die echten sozialen Kontakte, wo man Bestätigung und auch Kritik bekommt. Uns fehlt auch die Kirche, weil sie uns Regeln und Struktur gegeben hat und uns fehlt der Kontakt zur Natur, wir sind nicht mehr so geerdet wie früher“. Stattdessen verlieren wir uns im virtuellen Raum, lassen uns von der Informationsflut ablenken und kommen so nicht mehr zur Ruhe, erläutert die erfahrene Medizinerin, die immer mehr junge Menschen mit viel Feingefühl in der Psychosomatischen Klinik betreut. Ziel des zeitintensiven Aufenthalts ist es, den Menschen wieder mehr Empowerment zu geben.
Wenn das Handy zu Gott wird und wir uns daran festhalten
Bernd Keller (Bad Kissingen), katholischer Seelsorger und Unternehmer, sieht die Ursache für das schnelle Ausgebranntsein in der Entfremdung von gelebter Religiosität. Der Glaube an eine höhere Instanz, die bedingungslos liebt, gibt Halt und Würde. Diese innere Lücke füllen viele mit dem Handy, das zur Orientierung wird – doch es hält uns nicht wirklich. Die Fixierung auf schnelle Nachrichten, die Angst, etwas zu verpassen (FOMO) und digitale Isolation führen zu Erschöpfung. Wenn das Verhältnis von Geschöpf, Schöpfer und Schöpfung schwindet, verlieren Menschen ihren Halt. Wie ein Baum ohne Wurzeln können sie keine Kraft schöpfen. Keller begleitet Menschen auf dem Weg zurück zu sich selbst und einer dankbaren Gottesbeziehung – für einen „Burn in“ statt „Burn out“.
Die Sinne wieder aktivieren
„Unsere Maschinen werden immer schneller, immer effektiver – doch wir Menschen sind gleichgeblieben. Die Leistungsspirale wirkt zerstörerisch und das rasante Tempo überfordert viele von uns“, gibt Anne Hartmann, Achtsamkeitstrainerin in der Klinik Weckbecker in Bad Brückenau, zu bedenken. Um aus diesem Irrsinn herauszutreten, ist es wichtig, bewusst aus dem Zeitdruck herauszutreten und immer wieder achtsam mit allen Sinnen durchs Leben zu gehen. „Wenn wir nur noch funktionieren und unsere Sinne vernachlässigen, wird die Welt langweilig und es droht der so genannte bore out Effekt“, so die Theologin. Warnzeichen sind Lustlosigkeit, Infektanfälligkeit und Orientierungslosigkeit. Achtsamkeitskurse können helfen, nachhaltig wieder mehr Lebensfreude zu gewinnen. Gerade das Bäderland Bayerische Rhön sei ein Riesenschatz mit seiner oft unberührten Natur und der Fülle an Rückzugsorten voller Ruhe in inspirierender Umgebung.
Fasten befreit den Geist
Ein guter Weg, angesichts von Angst, Verunsicherung und Leistungsdruck wieder zu neuer Lebensfreude zu kommen, ist das Fasten. „Fasten macht den Geist freier, wirkt beruhigend und stimmungsaufhellend“, weiß Dr. Yvonne Höfer, Chefärztin der Malteser Fachklinik von Weckbecker in Bad Brückenau. Im Rahmen eines mehrwöchigen Aufenthalts unterstützt das Therapeuten-Team den Prozess, Lösungen für den Alltag zu finden. Was kann man vorbeugend tun, um Erschöpfung & Co vorzubeugen? „Regelmäßiger Schlaf ist die Basis von allem. Viel raus in die Natur und echte Begegnungen pflegen“, rät die Medizinerin.
Warnsignale beachten
Wie merke ich, dass ich auf die Bremse treten sollte? „Wer eine Leere spürt, sich immer mehr zurückzieht, im virtuellen Raum eine Kunstfigur von sich selbst aufbaut, häufig gereizt ist, schnell explodiert und vor allem negativ denkt, ist gefährdet“, weiß Dr. Rita Löw und warnt vor dem Abrutschen in die Alkohol- oder Tablettensucht, gerade wenn einen nichts mehr hält.
Vorbeugen ist so einfach
Wer es erst gar nicht so weit kommen lassen möchte, kann mit einfachen Mitteln vorbeugen. Die Psychiaterin Dr. Rita Löw empfiehlt den Tag ruhig und bewusst mit einer Tasse Kaffee ohne Handy zu beginnen, einfache Atemübungen in den Tag einzubauen, sich mit seinen Mitmenschen auszutauschen, achtsame Gespräche zu führen, die Natur mit allen Sinnen zu genießen, und den Tag bewusst ausklingen zu lassen. Und: immer wieder Danke sagen für das Gute um uns herum, das stimmt positiv.
Mit dem Gesundheitsfinder auf den Weg machen
Wer sich auf den Weg machen will zu mehr Ausgeglichenheit und Lebensfreude, findet erste Eindrücke und Inspirationen aus den fünf Kurorten und Staatsbädern unter www.baederland-bayerische-rhoen.de. Dort ist u.a. ein „Gesundheitsfinder“ integriert, wo man Filter für die individuelle Suche setzen kann. Für die persönliche Beratung stehen die Experten in den Tourist-Informationen bereit.